«Wir befinden uns im Jahre 2017 n. Chr. Die ganze Stromproduktion der Schweiz liegt in der Hand einiger Konzerne... Die ganze Stromproduktion? Nein! Ein von unbeugsamen Thurgallier bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und diese HohentannerInnen zeigen, wie selbstständige Stromproduktion aussehen kann». Was hier nach der Einleitung eines Asterix- und Obelix-Comics klingt, ist in der Schweiz, genauer im thurgauischen Hohentannen, tatsächlich geschehen: Die Thurgallier (wie sie von Medien liebevoll genannt werden: Tagblatt) haben die Zügel in Sachen Stromproduktion selbst in die Hand genommen.
Alles begann im Jahr 2007. Der neugewählte Gemeinderat sah sich vor einigen Hürden gestellt: Hohe Schulden und Sozialkosten, ein hoher Steuerfuss drückten dem Dorf aufs Gemüt. Der Gemeinderat beschloss deshalb, drei Schwerpunkte festzulegen:
- Hohentannen sollte nachhaltige und langfristige Handlungen einplanen.
- Die Gemeinde sollte Miteinander und füreinander handeln.
- Hohentannen benötigte Entwicklungshilfe in Form von lokaler Wertschöpfung.
Im September 2007 lud der Gemeinderat die Bevölkerung zu einem Informationsanlass ein, an dem über 100 Personen teilnahmen. Wenig später entstand aus einer Zukunftskonferenz das Projekt «Gemeindepower», in dem Mitglieder aus der Bevölkerung, der Gemeinde und FachexpertInnen miteinander wirken. Der englische Begriff power bezieht sich dabei nicht auf Energie, sondern auf Engagement. «Gemeindepower» ist der rote Faden, an dem sich die Gemeinde und deren BürgerInnen orientieren, um neue Ideen zu entwickeln.
Einer dieser Vorschläge war, die Eigenständigkeit des Dorfes zu wahren und die lokale Wertschöpfung zu steigern. Dazu sollte Hohentannen selbst Solarenergie produzieren. Die Gemeinde installierte zwei Solaranlagen auf Gemeindegebäuden. Die restlichen 34 Anlagen gingen auf Initiativen der Bevölkerung zurück.
Heute verfügt jedes achte Haus in der Gemeinde über eine eigene Solarstromversorgung. Die Gesamtleistung aller Anlagen beträgt 1 Million Kilowattstunden pro Jahr. Die restliche Energie wird zu 99% aus Wasserkraft bezogen.
Seit 2012 besteht in der Gemeinde ein Förderprogramm für alle diejenigen, die auf erneuerbare Energien umstellen möchten. Beitragsberechtigt sind BürgerInnen, die unter anderem mittels lokalem Holz wärmen oder Photovoltaikanlagen installieren möchten. Zudem erhalten alle BewohnerInnen aufgrund des positiven Rechnungsabschlusses der Gemeinde im Jahr 2015 einen Hohentaler im Wert von CHF 60. Dieser kann nur beim lokalen Gewerbe eingelöst werden.
Durch «Gemeindepower» ist Hohentannen heute schuldenfrei. Dies ist auch auf das besondere Engagement der Bevölkerung zurückzuführen, das die Gemeinschaft innerhalb des Dorfes gestärkt hat.